"Ekstase des aufrechten Gangs" Kundgebung in Zeppelinheim am 4.2.
Bericht über die Kundgebung vor Gate Gourmet in Zeppelinheim am 4.2.2006
Etwas 150 Menschen - darunter 15 der Streikenden aus Düsseldorf - versammelten sich am Samstag, den 4.2., um 13 Uhr vor der Gate-Gourmet-Filiale in Zeppelinheim, in der Nähe des Frankfurter Flughafens. Der Düsseldorfer Soli-Kreis hatte zu der Kundgebung aufgerufen, um die Streikenden zu unterstützen und der Isolation des Streiks entgegenzuwirken. Denn bisher haben nur die Beschäftigten von Gate Gourmet in Düsseldorf den Kampf gegen die radikale Verschlechterung ihre Arbeitsbedingungen aufgenommen, die von der Texas Pacific Group betrieben wird. Die TPG hatte Gate Gourmet vor vier Jahren aufgekauft, aber nur um sie nach einer massiven Umstrukturierung möglichst bald zu einem höheren Preis weiterverkaufen zu können.
In den Tarifverhandlungen an den einzelnen Standorten fordert Gate Gourmet nun Einsparungen bei den Personalkosten von 10 bis 21 Prozent. Aber während die Düsseldorfer Belegschaft von der Gewerkschaft NGG vertreten wird, werden die anderen Standorte von ver.di vertreten. Zwar befinden sich auch diese schon seit längerer Zeit in einem tariflosen Zustand, aber ver.di schien bisher vor Verhandlungen zurückzuschrecken. Trotz mehrfacher Appelle von den Düsseldorfer Streikenden an ihre ver.di Kollegen, in den Tarifkampf mit einzusteigen oder zumindest die Möglichkeiten des Betriebsverfassungsgesetzes auszuschöpfen und in außerordentlichen Betriebsversammlungen über den Konflikt zu informieren, passierte nichts. Rechtlich besteht diese Möglichkeit - zumal das BetrVG keine zeitliche Begrenzung der Dauer von Betriebsversammlungen vorsieht. Aber außer solidarischen Grüßen auf dem Papier kam von den anderen Standorten keine praktische Unterstützung für den Streik in Düsseldorf. Ebenso wenig wurde öffentlich bekannt gegeben, mit welchen Forderungen ver.di in die Tarifrunde einsteigen will. Erst jetzt, am Rande der Kundgebung, war zu erfahren, dass ver.di eine Lohnerhöhung von 4 Prozent fordern will. Dem steht das Programm "streched forward" von Gate Gourmet entgegen, das eine Senkung der Personalkosten um 21 Prozent vorsieht. Der für den 1.2. vorgesehene neue Gesprächstermin platzte, weil Gate Gourmet letzte Woche den bisherigen Geschäftsführer von Gate-Gourmet-Deutschland, Dietmar May, von seinem Posten abzog und nach Skandinavien versetzte - Ende Juni soll er dann ganz aus der Firma ausscheiden. Offensichtlich ist dies die Abstrafung dafür, dass es ihm nicht gelungen war, den Streik in Düsseldorf im Sinne der Eigentümerin Texas Pacific Group schnell und geräuschlos beizulegen.
Auf der Kundgebung sprach zunächst die express-Redakteurin Kirsten Huckenbeck zur Bedeutung dieses Arbeitskampfs für die gesamte Gewerkschaftsbewegungen. Danach erzählte der Betriebsratsvorsitzende aus Düsseldorf, Halil Saltan, wie es zum Streik gekommen war und wie der aktuelle Stand ist. Am letzten Donnerstag (2.2.) sei es in den Tarifgesprächen zu einem Kompromiss gekommen. Er hätte bis Freitag Abend von der Texas Pacific Group bestätigt werden sollen, aber diese verschob ihre Zustimmung auf Dienstag, sie müsse die Zahlen noch mal durchrechnen. Zur Zeit geht daher der Streik weiter und es ist nicht ausgeschlossen, dass es noch einmal zu einer Situation wie am 7./8.12.2005 kommt, als ein bereits ausgehandelter Kompromiss von der TPG widerrufen wurde. Allerdings hatte sich in den Gesprächen am 2.2. gezeigt, dass auch Gate Gourmet und TPG ein zunehmendes Interesse daran haben, den Streik zu beenden. Denn obwohl sie die Auswirkungen des Streiks durch den Einsatz von Streikbrechern unterlaufen können, zieht der Konflikt mehr und mehr Öffentlichkeit auf sich und beschädigt das Image der Unternehmen. Nach zahlreichen Solidaritätsblockaden, die immer mal wieder den Flugplan durcheinander brachten, gerät der Streik nun öfter in die Schlagzeilen. Am Samstag berichtete die Frankfurter Rundschau in einem ausführlichen Artikel über den "Dauerstreik bei Gate Gourmet" und wie auf die Kundgebung am 4.2. in Zeppelinheim hin. Das WDR-Radio hatte am Samstagmorgen in den Lokalnachrichten über den Streik und die Kundgebung informiert.
Da die TPG dem Ergebnis noch nicht zugestimmt hat, wollte Halil Saltan noch keine Details nennen. Er wies darauf hin, dass der Kampf bald an den anderen Standorten weitergehen werde und bedankte sich für die Solidarität, die sie in ihrem Arbeitskampf von vielen Seiten erfahren haben.
Als nächstes erklärte ein Mitglied des Düsseldorfer Solidaritätskreises, warum leider keine der Streikenden aus London-Heathrow es heute nach Frankfurt geschafft hätten. Die meisten der Gate-Gourmet-ArbeiterInnen aus London, die immer noch um ihre Wiedereinstellung kämpfen, sind Frauen aus Asien. Aufgrund ihrer familiären Situation hätten sie nicht so kurzfristig kommen können. Ihre Situation ist hier weitgehend unbekannt geblieben, da Gate Gourmet in Presseerklärungen den Eindruck erweckte, der Konflikt sei durch einen Tarifabschluss mit der TGWU beigelegt. Tatsächlich handelt es sich aber nur um einen Rahmensozialvertrag, der die persönliche Zustimmung bis zu einer bestimmten Frist vorsah. Nur ein kleiner Teil der ArbeiterInnen, die am 10. August 2005 von Gate Gourmet entlassen wurden, haben den Vertrag unterschrieben. Die übrigen kämpfen weiter um ihre Einstellung - und das mittlerweile ohne Streikgeld der TGWU. Die Streikenden in London senden solidarische Grüße an ihre Düsseldorfer KollegInnen und werden zu einem späteren Zeitpunkt nach Deutschland kommen, um über ihre Erfahrungen zu berichten.
Eine Vertreterin der Kampagne "Agenturschluss" betonte den Zusammenhang zwischen Streiks wie bei Gate Gourmet und dem Kampf der Erwerbslosen gegen die Hartz-IV-Reform und 1-Euro-Jobs. Daher hätten sich auch viele Erwerbslose an den Solidaritätsaktionen am Düsseldorfer Flughafen beteiligt und würden darin einen gemeinsamen Kampf gegen die sozialen Angriffe der Unternehmer und der Regierung erkennen.
Obwohl nicht damit gerechnet worden war, sprach auch Klaus Markert, Betriebsratsvorsitzender in Zeppelinheim und Gesamtbetriebsrat von Gate Gourmet. Er bedankte sich für die Kundgebung, da sie ihnen den Rücken für ihre anstehende Tarifauseinandersetzung stärke. Bedauerlicherweise könne er keinen Vertreter der Geschäftsleitung vors Tor bitten, um sich der Kritik an Gate Gourmet zu stellen. Denn zur Zeit seien sie aufgrund der Umstrukturierung ohne Geschäftsleitung und aus diesem Grund seien auch noch keine Termine für die nächsten Verhandlungen vereinbart worden. Durch die engen Grenzen des Betriebsverfassungsgesetz seien ihm auch leider die Hände gebunden, um den Streik in Düsseldorf wirksamer zu unterstützen.
Der eigens aus Berlin angereiste Professor Peter Grottian, der für sein politisches Engagement im Kampf gegen Sozialkürzungen bekannt geworden ist, nannte den Streik bei Gate Gourmet eine "Ekstase des aufrechten Gangs". Der Streik sei beispielhaft für den Widerstand gegen die unsoziale Krisenpolitik und verdiene unser aller Unterstützung. Auch er bezog sich auf den Zusammenhang zu anderen sozialen Auseinandersetzungen und betonte, es sei ziviler Ungehorsam nötig, um die weiteren Angriffe der Großen Koalition auf unsere Lebensbedingungen zu Fall zu bringen. "Euer Widerstand ist uns Beispiel. Für etwa eine Million Hartz-IV-EmpfängerInnen steht die Zwangsumsiedlung an. Wir werden Eurem Beispiel folgen und massenhaft in den Widerstand treten."
Ein kleiner Höhepunkt der Kundgebung war es, als sieben streikende Gate-Gourmet-Arbeiterinnen, alle aus der Türkei stammend, von ihrer Motivation zum Streik und über die Entwicklung ihres Zusammenhalts berichteten - teilweise auf Deutsch, aber auch auf Türkisch. Da blieben sogar einige der ArbeiterInnen aus Zeppelinheim, die gerade Schichtende hatten, stehen, und hörten aufmerksam zu. Sie hätten einfach die Schnauze voll gehabt von der ständigen Terrorisierung am Arbeitsplatz. Es gehe ihnen um ihre Menschenwürde und sie wollten nicht kleinbeigeben. Im Streik hätten sie ein Zusammengehörigkeitsgefühl entwickelt, das ihnen niemand wegnehmen könne.
Da die Kundgebung während des Schichtwechsels in Zeppelinheim andauerte, konnten die Streikenden aus Düsseldorf ihren KollegInnen die Situation erklären und forderten sie in ihrem deutsch-türkischen Flugblatt auf: "Streikt endlich mit!" Sie schilderten ihre Situation und wiesen sie darauf hin, dass sie bald vor ähnlichen Problemen stehen dürften, da Gate Gourmet von ihnen noch drastischere Einschnitte verlangt. Die ArbeiterInnen aus Zeppelinheim zeigten sich interessietrt an den Flugblättern. In den Gesprächen am Werkseingang wurde deutlich, wie hoch auch hier der Anteil von LeiharbeiterInnen mitlerweile ist.
Es sprachen noch ein Gewerkschafter aus Polen, der die Kampferfahrungen bei Gate Gourmet mit der Situation in seinem Land vergleich. Eine Vertreterin der Ya-Basta-Initivative aus Frankfurt überbrachte solidarische Grüße. Anwesend waren auch einige GenossInnen der Gruppe "Aufbau" aus der Schweiz und überbrachten ihre Solidarität. Sie hatten bereits in der Vergangenheit Solidaritätsaktionen vor der Europa-Zentrale von Gate Gourmet am Züricher Flughafen durchgeführt. Sie seien gerade auf Streik-Tourismus in Deutschland und kämen gerade aus Nürnberg vom Streik bei AEG. Sie betonten den Internationalismus der Kämpfe, den wir weiterentwickeln müssten.
Nach dieser zweistündigen Kundgebung mit viel Musik und guter Stimmung erinnerte ein Mitglied des Düsseldorfer Soli-Kreises daran, dass der Kampf bei Gate Gourmet weitergeht. Auch wenn er jetzt in Düsseldorf zu Ende sein sollte - was noch nicht ausgemacht ist - so ständen die KollegInnen dort vor einem besonders schwierigen Kampf, wenn sie die Arbeit wieder aufnehmen. Denn dann müssen sie die im Streik entwickelte Stärke und den dort gefundenen Zusammenhalt im betrieblichen Alltag einsetzen, um sich gegen die zu erwartenden Schikanen des Unternehmers und weitere Leistungsverdichtungen wehren zu können. Da Gate Gourmet weltweit drastische Kosteneinsparungen angekündigt hat, werde der Kampf in den nächsten Monaten an vielen Standorten weitergehen. Die klassische gewerkschaftliche Streikstrategie, die sich an sozialpartnerschaftlichen Verhältnissen orientiert, finde aber immer weniger eine wirksame Antwort auf den massiven Streikbruch und die politische Rücksichtslosigkeit der Unternehmer. Die zukünftigen Kämpfe könnten daher nur erfolgreich sein, wenn sich Arbeitskämpfe wieder stärker zu einer sozialen Bewegung entwickeln, die sich von den anerkannten Regeln der Konfliktaustragung keine Fesseln anlegen lässt.
Spontan ergriff noch einmal Halil Saltan das Wort und bedankte sich bei allen, die sich an der Kundgebung beteiligt und zu ihrem Gelingen beigetragen haben.