Solidaritätsbesuch in London und gemeinsame Demonstrationen
– Ein erster Kurzbericht –
Der Texas Pacific Group auf die Pelle rücken!
Donnerstag nacht, am 23.3.06, machte sich eine Delegation der Streikenden aus Düsseldorf auf den Weg nach London – zu ihren KollegInnen von Gate Gourmet, die im August 2005 fristlos entlassen worden waren und bis heute für ihre Wiedereinstellung kämpfen. Mit ihnen reisten einige UnterstützerInnen aus verschiedenen deutschen Städten. Bei ihrem Besuch in Düsseldorf am 22.2. hatten die beiden Gate-Gourmet-Arbeiterinnen die Streikenden hier zu ihrer Demonstration am Samstag, den 25.3., in London eingeladen. Die Idee fanden viele prima – und weil die einzige Europavertretung der Texas Pacific Group auch in London sitzt, ging es schon am Donnerstag los, um mal bei dieser Investmentfirma vorbeizuschauen, die hinter der brutal durchgesetzten Verschärfung der Arbeitsbedingungen in London, Düsseldorf und an vielen anderen Standorten von Gate Gourmet steckt.
Nach einer ruhigen nächtlichen Überfahrt mit der Fähre über den Ärmelkanal kamen wir morgens in London an und wurden sofort mit einem klassischen englischen Frühstück herzlich in Empfang genommen. Nicht ganz ausgeschlafen, aber mit Bacon, Eier, Bohnen und Chips gestärkt, ging es dann zur Texas Pacific Group – mitten im Finanzzentrum der Londoner City. Der Anblick der Transparente und lauten Slogans dürfte für die während der Mittagspause aus den Büros heraus- und hereineilenden Angestellten und Bankiers ungewohnt gewesen sein. Ein paar Mal schielten auch ein paar Angestellte aus der zweiten Etage des Gebäudes an Carlton Gardens, wo die Texas Pacific ihren Sitz hat. „Stirling Square“ heißt der Block bezeichnenderweise.
Mit englischen und deutschen Parolen wurde lautstark auf die Rolle der Texas Pacific im Kampf gegen Gate Gourmet in London und in Düsseldorf hingewiesen: „Texas Pacific – Slave Labour Bosses“ und ihr der Kampf angesagt: „Texas Pacific – wir werden dich in Düsseldorf und London besiegen!“ Von 12 bis 14 Uhr protestierten etwa 50 Streikende und UnterstützerInnen vor dieser Finanzzentrale und störten die Ruhe ihrer dreckigen Geschäfte.
Anschließend war bei sonnigem Wetter Sightseeing angesagt – für viele war es der erste Besuch in London. Am Themseufer stießen drei Streikende aus Düsseldorf auf ein Denkmal zur Erinnerung an den 150. Jahrestag der Anti-Sklaverei-Koalition (1839-1989) – sicher kein Zufall. Abend ging es dann vom Stadtzentrum nach Southall, einem asiatisch geprägten Stadtteil in der Nähe des Flughafens Heathrow, in dem auch viele der Gate-Gourmet-ArbeiterInnen wohnen. Auf der eineinhalbstündigen Fahrt mit Kleinbussen zu der von den Londoner KollegInnen vorbereiteten Abendveranstaltung mit indischem Essen wurden uns die Dimensionen der Stadt und das tägliche Verkehrschaos deutlich. Kein Wunder, dass die meisten ArbeiterInnen am Flughafen in den angrenzenden Stadtteilen wohnen. Wir waren alle überrascht, wie viel Mühe sich unsere GastgeberInnen mit unserem Empfang, der Verköstigung und Unterbringung gemacht hatten. Es war ihnen deutlich anzusehen, wie wichtig es ihnen ist, von den KollegInnen aus Deutschland unterstützt zu werden und dem Multi Gate Gourmet gemeinsam entgegentreten zu können. Zum Abschluss traten noch indische und kurdische Folkloregruppen auf und wir wurden alle privat untergebracht.
Am Samstag versammelten wir uns im Stadtteil Hounslow zur Solidaritätsdemonstration mit den Entlassenen und für den gemeinsamen Kampf in London und Düsseldorf. Am Aufstellungsort erfuhren wir näheres zum Stand der Auseinandersetzung. Nach der langen Zeit des Kampfs um die Wiedereinstellung haben nun viele der etwa 700 Entlassenen doch die Verträge unterschrieben: etwa 300 haben die Abfindung genommen und schätzungsweise 200 haben die Rückkehr an den Arbeitsplatz zu den verschlechterten Bedingungen akzeptiert. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit, der Weigerung des Arbeitsamtes Arbeitslosengeld zu bezahlen mit Hinweis auf die fristlose, angeblich selbstverschuldete Entlassung und der Weigerung der Gewerkschaft TGWU noch irgendeine Unterstützung zu gewähren, war der wirtschaftliche Druck einfach zu hoch. Aber knapp 200 kämpfen weiter um ihren Arbeitsplatz – vor allem die 144 KollegInnen, die auf der scharzen Liste von Gate Gourmet sind und auf keinen Fall ihren Job zurückbekommen sollen. Sie klagen zur Zeit vor dem Arbeitsgericht, aber das Verfahren wird sich noch Monate hinziehen. Einige der ArbeiterInnen erzählten uns, dass es durch diese Spaltung jetzt noch schwieriger geworden sei, den Kampf fortzuführen und Druck auf Gate Gourmet auszuüben. Aber sie wollen nicht aufgeben. Die Londoner Unterstützergruppe für den Streik bemüht sich mit allen Kräften, Spenden zu sammeln und hat bereits einmal eine kleine Streikunterstützung an die KollegInnen auszahlen können.
Etwa 300 Menschen marschierten dann um 14 Uhr los, ein buntes Bild, aufgelockert durch die Streikenden aus Deutschland und ein paar Transparente in deutscher Sprache. Die Nähe auch dieses Stadtteils zum Flughafen war unschwer an den im Ein-Minuten-Takt über uns hinwegdonnernden Fliegern erkennbar. Nachdem es zunächst über eine wenig belebte Straße Richtung Hounslow-Zentrum ging, wandelte sich das Bild schlagartig, als wir in die Fußgängerzone des Stadtteils einbogen. Hier herrschte ein buntes Treiben und fast alle Passanten blieben stehen und beobachteten aufmerksam die Demonstration. Einige schlossen sich spontan an oder winkten solidarisch am Rande. Die Menschen hier schienen um den Konflikt bei Gate Gourmet zu wissen und zeigten ihren Respekt gegenüber der Hartnäckigkeit, mit denen die indischen Frauen um ihren Arbeitsplatz kämpfen.
Die Demonstration ging dann weiter zum Gemeindezentrum des Stadteils Hounslow, wo wir uns im Sitzungssaal des Gemeinderats versammelten. Es sprachen Streikende aus London und Düsseldorf, VertreterInnen einiger anderer Gewerkschaften, die ihre Solidarität versicherten und das Verhalten der TGWU-Führer scharf verurteilen; und auch ein Gemeinderat von der Labour-Partei sicherte seine Unterstützung zu.
Eigentlich wären wir noch gerne bei Gate Gourmet am Flughafen vorbeigefahren, aber die Zeit bis zur Abfahrt wurde zu knapp. Mit einem typisch englischen Fish-and-Ships-Mal wurden wir dann aufs herzlichste verabschiedet.
Der Besuch in London hat beiden Seiten neuen Mut gemacht. Er hat gezeigt, dass sich internationale Solidarität ganz unkompliziert und unbürokratisch von den kämpfenden ArbeiterInnen selber organisieren lässt und wie wichtig es ist, den Kampf in die eigenen Hände zu nehmen – international.
Our best wishes to all the comrades in London, who did so much for this great experience of international solidarity! We will stay in contact and fight together.
Protestaktion vor dem Büro der Texas Pacific Group in London
This plaque commemorates the 150th anniversary of the Anti-Slavery-Coalition 1839-1989
Beim Abendessen im Gemeindezentrum von Southall
Demonstration durch Hounslow am 25. März 2006